Hintergrund

Der gute Ton

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von Christoph Widmer

Nicht nur Audio- und Hi-Fi-Systeme, sondern auch eine hochwertige Musikproduktion sind ?für das Klangerlebnis entscheidend. Doch wie steht es um die Schweizer Tontechnik-Branche? ?Was sind die Trends? Ein Blick auf den Markt gibt Auskunft.

Wenn es um den Klang geht, so wird der Fachhandel für Unterhaltungselektronik seinem Namen gerecht: Audio- und Hi-Fi-Anlagen für den Hausgebrauch sind bei den grossen CE-Händlern stets stark vertreten – entsprechendes Studio-Equipment dagegen kaum. Wer Tontechnik sucht, wird entweder bei Musikhäusern, vor allem aber beim darauf spezialisierten Handel fündig. Eine leicht zu übersehende Nische im grossen Elektronikmarkt.

Trotzdem ist die hochwertige Musikproduktion für ein überzeugendes Klangerlebnis unabdingbar. Und die Branche feiert auf prominenten Messen durchaus Erfolge, wie ein Blick nach Deutschland zeigt. In Frankfurt erzielte etwa die Prolight & Sound in diesem Jahr einen Besucherrekord: rund 45?000 Gäste zählte die Internationale Messe der Technologien und Services für Entertainment, Integrated Systems und Creation, wie die Veranstalter mitteilen. Und tatsächlich ist das Fachbesucher-Interesse am Angebot bei der Audio- und Beschallungstechnik mit 62 Prozent am stärksten ausgefallen.

Welche Anteile bei diesem Besucher-Interesse effektiv dem Studio-Equipment und nicht der Live-Beschallungstechnik zukommen, geht aus dem Bericht allerdings nicht hervor. Ein genauer Umgang mit dem Begriff «Tontechnik»ist für den Blick auf die Branche aber notwendig, wie Thomas Kübler, CEO des Schweizer Audio-Distributors Pek, sagt: "Der Begriff 'Tontechnik' ist sehr weit gefasst und beinhaltet die drei Hauptbereiche Livebeschallung, Festinstallationen und Recording." Es seien "durchaus lohnenswerte Geschäftszweige, wenn auch eher gesättigt und dadurch sehr dynamisch".

Absatzkette mit Sprüngen

Auch erweist sich die Suche nach Studien und Marktberichten zur Studiotechnik als äusserst schwierig. Statistiken über Verkäufe gebe es kaum, sagen Branchenvertreter, die nicht genannt werden wollen. Ihnen zufolge werde der Studiosektor nämlich immer mit der gesamten Elektrotechnik zusammengelegt. Auch die Vertriebskanäle lassen die aktuelle Lage des Tontechnik-Handels nur erahnen. Denn im professionellen internationalen Bereich werden die hochwertigen Produkte meist direkt vom Vertrieb an die Profi-Studios geliefert und gehen nicht über den Musikfachhandel. Kübler geht in diesem Punkt noch einen Schritt weiter. Sowohl bei Software für Musikproduktion – Programme wie Cubase, Logic und Co. – als auch bei der Studio-Hardware sieht er den Distributor in der Handelskette gar ausgeschlossen: "Das Softwaregeschäft findet unter Umgehung von traditionellen Vertriebskanälen zunehmend direkt zwischen Hersteller und Konsument statt, bei der Hardware gewinnt das Onlinegeschäft wie in anderen Bereichen immer mehr an Bedeutung."

Für Thomas Willi, Sales Engineer des Audio-Distributors Decibel, lohne sich das Geschäft mit Produkten für den semiprofesionellen Bereich: "Ja, wir verkaufen heute Mikrofone, Zuspielgeräte, mobile Aufnahmegeräte und kleine Regie-Monitorlautsprecher an den Musikfachhandel." Gerade dieser Amateur-Sektor gefährdet Tontechniker. Denn mit der nötigen «Do-it-yourself»-Einstellung findet die Musikproduktion nicht mehr nur im Studio, sondern auch im eigenen Wohnzimmer statt. Tommy Vetterli, Musiker sowie Besitzer und Produzent des New Sound Studios in Pfäffikon, sieht sein Geschäft bedroht: "Das Führen eines Studios wurde mit der Zeit viel schwieriger. Vor 15 Jahren etwa musste man für eine Pre-Production noch ins Studio. Das ist heute nicht mehr so."

Die technischen Möglichkeiten erlauben diese Verschiebung: "Im 'Amateurbereich' lassen sich mit den heute zur Verfügung stehenden preisgünstigen Tools Produktionen in erstaunlicher Qualität realisieren, die als Demomaterial durchaus verwendet werden können", erklärt Kübler. "Für Elektromusik genügen dafür oft ein Rechner mit entsprechender Software und ein Paar Monitore." Auch laut Willi ist die Musikproduktion heute viel einfacher und für fast jeden realisierbar, doch leide die Qualität darunter. Kübler kommt zum selben Schluss und ergänzt: "Vor allem, wenn akustische Instrumente oder Gesang aufgenommen werden sollen, sind neben entsprechendem Know-how ein akustisch optimierter Aufnahmeraum sowie gute Mikrofone und Abhörmonitore entscheidend für ein gutes Resultat. Dies alles steht dem Kunden in einem professionellen Tonstudio zur Verfügung."

Tonstudios schwinden

Trotz dieser Vorteile, die Studios bieten, scheint ihr Fortbestand ungewiss. Die Schweizer Musiklabels sehen sich nämlich mit schwindenden Verkaufszahlen konfrontiert. So hatten die rund 35 Schweizer Mitglieder der International Federation of the Phonographic Industry (IFPI Schweiz) dieses Jahr einen Umsatzrückgang von 3,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr hinnehmen müssen. Indes wuchs der globale Musikmarkt, vor allem dank wachsendem Streaming-Trend. Doch international ist es laut IFPI die erste deutliche Zunahme seit zwei Jahrzehnten. In diesem schwierigen Umfeld gebe es zwar noch professionelle Studios mit entsprechenden Aufnahmeräumlichkeiten und Equipment. Allerdings werden diese immer weniger. Willi rechnet gar mit einem Wandel, der das klassische Tonstudio durchlaufen müsse: "Die Branche geht immer mehr in Richtung Multimedia. Darum wird das 'Tonstudio' sterben oder zum Film und Animationsstudio mutieren."

Ob aber die technologischen Entwicklungen im reinen Audiobereich das professionelle Tonstudio wieder etablieren können, scheint indes unklar. Für Kübler werden die immer leistungsfähigeren Rechner und Software-Plug-ins immer mehr Aufgaben übernehmen können. Etwa die Klangerzeugung mit "virtuellen Instrumenten" oder das Sound Processing mit Effekten oder Kompressoren – also digitale Werkzeuge, von denen nicht nur Studiobetreiber, sondern auch Heimanwender profitieren. Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch Willi: "Die ganze Produktion wird heute am Computer gemacht, und Peripheriegeräte in dieser Richtung sind gefragt", hält er fest.

Analoge Verfahren nach wie vor beliebt

Natürlich richtet sich der Handel nach solchen Neuheiten. Doch stellt sich die Frage, ob Musikschaffende ebenfalls auf die neueste Technik für ihre Produktion setzen. Wer sich die Stimmen der Branche anhört, darf daran zweifeln. Gewisse Vertreter beobachten einen Retrotrend hin zur analogen Technik. Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch Vetterli: "Ich erkenne, dass Musikkonsumenten bei gewissen Trends – etwa laute Masterings – langsam müde werden." Er beobachte vor allem bei Tonträgern und bei der Produktion eine Rückentwicklung: "Musikhörer sind wieder stärker an Vinyl, Musiker an Aufnahmeverfahren mit Tape interessiert." Als Produzent räumt er analogen wie auch digitalen Werkzeugen Bedeutung ein: "Gerade bei Equalizern arbeite ich bevorzugt über meine Konsole. Digitale Equalizer kommen nicht an diese Qualität heran. Jedoch wird im Bereich der digitalen Kompressoren noch einiges gehen."

Unabhängig davon raten die Player der Branche dem Fachhandel zweierlei: Know-how und Service. Laut Kübler sollen Händler dadurch eine Bindung mit dem Kunden herstellen. Ein gut gepflegter Onlineshop sei zwar "ein Muss", doch sollten Kunden auch vor Ort Produkte ausprobieren können. Vetterli sieht es gleich: "Viele wollen sparen und bestellen daher übers Internet. Sie erhalten dann oft Geräte, die überhaupt nicht ihren Bedürfnissen entsprechen oder eine schlechte Qualität besitzen." Für ihn der Trumpf des Tontechnik-Marktes: "Eine gute Beratung und guter Service sind für mich extrem wichtig. Da zahle ich gerne auch ein paar Franken mehr."

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