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Die Fragilität des Audiotransfers

Uhr | Aktualisiert
von Martin Kamber, Area Sales Manager B&W Group Schweiz

Fehlende Achtsamkeit bei analogen Aufnahmen lässt sich später in der digitalen Domäne nicht einfach ausbügeln. Bei der Digitalisierung gilt es, einige wichtige Aspekte zu beachten.

(Quelle: Pixabay/ CC0 Public Domain)
(Quelle: Pixabay/ CC0 Public Domain)

Viele musikalische Schätze sind noch traditionell mit Tonbandmaschinen aufgezeichnet worden. Üblicherweise bewahrt man nur das Masterband auf, um im Bedarfsfall neue Schallplattenmatrizen und LPs herstellen zu können.

Es ist gar nicht so einfach, diese alten Masterbänder in die digitale Domäne zu retten. Als die CD 1983 Einzug hielt, fand auch der Übergang von der analogen Studio- in die digitale Produktion statt. Analoge Tonbandmaschinen wurden durch digitale Maschinen und später durch Harddiscs ersetzt. Will man alte Bänder abspielen, benötigt man aber eine dieser zunehmend raren Studiomaschinen.

Die Fragilität der Masterbänder

Bei der Quelle, etwa einem Masterband, können schon bei der Lagerung Probleme entstehen. So ist es möglich, dass bei Bändern mit innenliegender Beschichtung Vorechos hörbar sind, wenn diese zurückgespult gelagert werden. Vorechos entstehen, wenn laute, stärker magnetisierte Bandstellen auf schwach magnetisierte Stellen des darunter liegenden Bandwickels durchkopiert werden (übersprechen). Diese Bänder sollte man nicht zurückgespult lagern. Bänder mit besonders feiner Beschichtung könnten sonst dazu neigen, an allem zu kleben, so auch an den Tonköpfen. Dadurch sind die Bänder nicht mehr abspielbar. Ein halbstündiges Backen bei 60 Grad Celsius im Backofen könnte die Bänder wieder spielbar machen.

Die Bänder sollten vor allem auf offenen Wickeln und möglichst gleichmässig aufgewickelt sein, sodass keine Bandkanten vorstehen. Dies könnte im Laufe der Lagerzeit zu Bandwelligkeit führen, was wiederum einen reduzierten Band-Kopf-Kontakt erzeugt und in der Folge zu Lautstärkeschwankungen führt.

Die Fragilität der Studiotonbandmaschinen

Das Masterband wird idealerweise auf demselben Bandmaschinentyp wie bei der Aufzeichnung abgespielt. Da immer weniger dieser Studiomaschinen verfügbar sind, ist es umso wichtiger, dass die Maschine mechanisch wie elektrisch in sehr gutem Zustand ist. Ein wichtiges mechanisches Kriterium ist ein präziser Bandlauf. Das Band darf weder nach oben noch nach unten weglaufen, sonst werden die Bandkanten geknickt. Ein so malträtiertes Band hat reduzierten Band-Kopf-Kontakt, was zu Pegel- und Frequenzgangeinbrüchen führt. Ebenso beeinflusst der Bandzug den Bandandruck und Bandabrieb. Bei sehr alten Aufnahmen ist auch die Bandgeschwindigkeit ein heikles Thema. Bis in die 50er-Jahre wurde die Bandgeschwindigkeit über die Netzfrequenz stabilisiert. Quarzstabile Geräte gab es nicht. Leider war die Netzfrequenz nicht sehr stabil. Deshalb kann es bei diesen Aufnahmen zu Tonhöhenschwankungen kommen. Die genaue vertikale Ausrichtung des Kopfspaltes (Azimut) zum Band ist eine weitere kritische Einstellung, wenn nicht die wichtigste überhaupt. Stimmt der Azimut nicht, sind schnell negative Effekte hörbar. Verluste von hohen Frequenzen, Phasenfehler und eine nicht mehr vorhandene Mitte bei der Stereowiedergabe wären die Folge.

Elektrisch müssen der magnetische Fluss des Bandes und die Entzerrung mit der Aufnahmemaschine übereinstimmen. Hier kann mit einem Referenzband zunächst eine Voreinstellung auf einen Normwert eingestellt werden. Solche Referenzbänder sind heute nicht mehr einfach so erhältlich und alte Bänder zunehmend Mangelware. Bei guten Masterbändern wurden am Anfang für die Wieder­gabeeinstellungen Testtöne aufgezeichnet. Fehlen diese, müssen die optimalen Einstellungen in mühsamer Testarbeit, teilweise nach Gehör, ermittelt werden. Sollte bei der Aufnahme ein Dolby-Rauschunterdrückungssystem im Spiel gewesen sein, muss man die Ausgangspegel der Tonbandmaschine beachten und die Arbeitspunkte der Dolby-Entzerrer abgleichen, sonst drohen Frequenzgangabweichungen. Auch bei der Entzerrung gab es zwei Normen. Eine amerikanische nach NAB und eine europäische nach CCIR/IEC. Sind diese Werte falsch, stimmt der Frequenzgang im Hochtonbereich nicht. Ausserdem muss man die RIAA-Schneidekennlinie berücksichtigen und korrigieren, falls die Masterbänder explizit zur Schallplattenherstellung hergestellt wurden.

Fehlende Achtsamkeit in der analogen Welt lässt sich nicht einfach in der digitalen Domäne ausbügeln. Es ist besser, die Sache von Anfang an korrekt zu machen, als im Nachhinein zu korrigieren (sofern das möglich ist). Nur wenn all die erwähnten Parameter möglichst optimal auf das Masterband einjustiert wurden und das Band in einem tadellosen Zustand ist, ist es möglich, mit der Digitalisierung zu beginnen. Danach haben wir die Klangqualität und das Klangspektrum des analogen Bandes in digitalisierter Form und können nun mit dem Remastering beginnen. Hier stellt sich dann die kritische Frage: ist das Endresultat nach dem Prozess besser (restauriert und Fehler korrigiert oder entfernt) oder hat der Toningenieur zu viel manipuliert und den ursprünglichen Klangcharakter verbogen?

Persönlich

Martin Kamber ist seit seiner Kindheit leidenschaft­licher Musikliebhaber. Sein Hauptgenre ist die Klassik. Seine Ausbildung machte Kamber als Radio-TV-Elek­troniker in einem Einzelhandelsbetrieb. Nach der Ausbildung und einigen Jahren im Einzelhandel wechselte er in den Grosshandel. Zuerst als Techniker im Audio-Hi-Fi-, später im Videorekorder-Bereich. Nach dieser technischen Zeit und einigen Weiterbildungen wechselte er als Key Account Manager in den Aussendienst. Später kamen auch Schulungstätigkeiten dazu. Seit 2007 ist Kamber bei B&W Group Schweiz. Dort ist er als Area Sales Manager für die Kunden in der östlichen Hälfte der Schweiz zuständig sowie für Marketing- und Support­tätigkeiten.
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