Mystery-Shopping

"Schallplatten sind wieder in"

Uhr | Aktualisiert
von Fabian Pöschl

Es herrscht ein Hype um das gute alte Vinyl. Wie gut weiss der Handel über den analogen Tonträger, die Schallplatte, Bescheid? Die professionelle Mystery-Shopperin machte den Test.

Astrid T. hat unzählige Schallplatten im Estrich verstaut. Trennen konnte sie sich von der Sammlung nie, damit verbindet sie unzählige schöne Erinnerungen. Mangels eines Plattenspielers konnte sie die Vinyl-Klassiker aber lange nicht mehr geniessen. Das wollte sie ändern. Ein Plattenspieler musste her. "Gibt es das überhaupt noch?", fragte sich Astrid. Bevor sie zum wöchentlichen Flohmarkt ging, wollte sie im Handel nach etwas "Rächtem" suchen. Etwas Modernes sollte es sein. Worauf es bei einem Plattenspieler ankommt, wusste sie aber noch nie so richtig. Deshalb sollte sie der Handel beraten. Auf ihrer Mystery-Shopping-Tour in Begleitung von "CEtoday" besuchte sie Fust, Melectronics, Interdiscount, Media Markt und zwei Audio-Fachhändler.

Fust

An der ersten Station hielt sie sich nicht lange auf. In der kleinen Fust-Filiale waren zwei von drei Verkäufern am Kassentresen mit Kundenberatungen beschäftigt. Also ging Astrid auf den dritten zu und fragte ihn nach Plattenspielern. Da sie diese aber nicht anboten, wie der Verkäufer sagte, verabschiedete sich Astrid gleich wieder.

Melectronics

An ihrer nächsten Station, Melectronics, hatte sie noch weniger Erfolg. Sie fand nicht einmal einen Verkäufer, der Zeit für eine Beratung gehabt hätte. Astrid suchte deshalb eigenständig nach Plattenspielern, konnte aber weder in der Audioabteilung noch anderswo in der Melectronics-Filiale ein solches Gerät finden.

Interdiscount

Astrid ging schnurstracks weiter zum nächstgelegenen Interdiscount. Wenige Sekunden, nachdem sie den Laden betreten hatte, kam ein Verkäufer auf sie zu und bot ihr eine Beratung an. Nach Plattenspielern gefragt, entschuldigte er sich, sie hätten nur ein Modell für rund 150 Franken im Sortiment. Gefragt, ob dieses denn etwas tauge, sagte der Verkäufer: "Dieser Player stellt den Grat zwischen alt und neu dar." Er nahm das Gerät in die Hand, zeigte Astrid die Anschlussmöglichkeiten und sagte: "Den können Sie über Bluetooth mit Lautsprechern verbinden, er hat aber auch normale Cinch-Anschlüsse. Online haben wir aber bessere Modelle. Wollen wir uns die gemeinsam am PC ansehen?" Astrid stimmte zu, worauf der Verkäufer im Interdiscount-Onlineshop das Modell DP-200USB von Denon für 250 Franken zeigte. Er sagte: "Man kann 150 bis 1000 Franken ausgeben, aber dieser Plattenspieler ist sicher gut. Denon ist schon seit Jahren im High-End-Segment tätig." Astrid wollte wissen, wieso das Gerät denn so gut sei und bekam einige Argumente zu hören: Nadel, Motor, Verstärker und Tonwandler, der aus den Schwingungen den Ton mache, seien von besserer Qualität und besser verarbeitet. Das Resultat: besserer Sound. Astrid spürte die Begeisterung des Verkäufers, war sich aber noch unsicher, ob sie tatsächlich dieses Modell wollte. Der Verkäufer meinte, sie solle doch online weiterstöbern und druckte ein Datenblatt des Denon-Modells zum Mitnehmen aus. Die Auswahl bei Interdiscount war Astrid zwar zu klein, aber dafür traf sie endlich auf einen Verkäufer, der ihr sagte, worauf bei einem Plattenspieler zu achten sei.

Media Markt

Bei Media Markt hoffte sie auf ein ähnliches Beratungsniveau. Das Ambiente war vielversprechend. Auf einer Bühne stand ein DJ-Pult, aus den Lautsprechern dröhnte elektronische Musik. Tatsächlich ausgestellt war aber wieder nur ein Modell. Astrid entdeckte nach kurzer Suche den Player iOn Wood für 139 Franken. "Wieder nur ein Einsteigermodell", dachte sie und sprach einen Verkäufer in der Nähe an, der bestätigte: "Dieses Modell ist etwas günstig, bessere gibt es online. Der beliebteste ist von Pioneer, den gibt es schon für 180 Franken." Astrid bedankte sich für die kurze Beratung. Auch dieser Verkäufer schien etwas von Plattenspielern zu verstehen, sie wollte nun aber eine Auswahl an Plattenspielern sehen. Die sollte der Fachhändler bieten.

1. Fachhändler

Im kleinen Audio-Fachgeschäft zählte Astrid vier Plattenspieler, versteckt zwischen unzähligen Lautsprechern. Einen Verkäufer fand sie nicht, nur einen weiteren Kunden, der auf einem Sofa sass und sich immer wieder den Anfang desselben Liedes anhörte. "Der testet wohl Lautsprecher", dachte Astrid, während sie auf Bedienung wartete. Weil aber auch nach vier Minuten noch kein Verkäufer zu sehen war, verliess sie das Ladengeschäft wieder.

2. Fachhändler

Etwas enttäuscht traf sie an ihrer letzten Station ein, das Ziel ihrer Suche, wie sich herausstellen sollte. Sie fand ein gutes Dutzend Plattenspieler der Marke Pro-Ject ausgestellt. Sofort kam ein Verkäufer auf Astrid zu und bot eine Beratung an. "Haben Sie denn schon eine Anlage zuhause?", fragte er als Erstes. Als Astrid von ihrer alten Technics-Anlage erzählte, antwortete er: "Das sollte also kein Problem sein, ältere Anlagen haben nämlich noch einen speziellen Eingang für Plattenspieler. Den brauchen sie, weil Schallplatten verzerrt aufgenommen wurden. Bei neueren Anlagen ging man davon aus, dass es das nicht mehr braucht. Aber Schallplatten sind wieder in." Auch dieser Verkäufer liess seine Begeisterung für Plattenspieler mehrmals durchblicken. Er erklärte ausführlich die verschiedenen Modelle, die ab rund 300 Franken erhältlich waren. Beim Einstiegsmodell sei das Gehäuse aus Pressholz, bei höherwertigen auch aus Magahoni- oder Olivenholz. Das sei wichtig, denn die Masse des Materials wirke sich auf die Tonqualität aus. "Resonanzen sind die grössten Feinde des Plattensignals", sagte er. Deshalb hätten bessere Modelle auch gefederte Spikes zur Entkopplung, so vibriere das Gehäuse fast gar nicht. Letztlich sei aber immer die Nadel für die Qualität des Tons entscheidend. Deshalb riet er zum Mittelklassemodell Debut Carbon für 500 Franken, bei dem sich die Nadel einfach auswechseln lasse. Das gebe es auch mit Acrylteller, der sich im Vergleich zur Filzauflage nicht statisch auflade, wodurch weniger Tonstörungen aufträten. Der Verkäufer zählte weitere mögliche Unterlagen auf und zeigte unterschiedliche Nadeltypen. Ausserdem erwähnte er ein Modell, bei dem sich auf Knopfdruck die Geschwindigkeit von 45 auf 33 Touren umstellen lasse, was bei manchen Schallplatten nötig sei. Bei anderen Geräten sei das etwas umständlich. Für diesen Komfort müsse sie nochmals rund 80 Franken drauflegen. Mit dem empfohlenen Plattenspieler mit Standardnadel sei sie aber gut ausgestattet. Teurere Plattenspieler würden die Fehler von Astrids älteren Schallplatten wohl gnadenlos aufzeigen. Jedes Staubkörnchen wirke sich dann negativ auf den Ton aus. Astrid war begeistert vom Fachwissen und der ausführlichen Beratung des Verkäufers. Sie wollte schon zuschlagen, der Verkäufer wies sie aber noch auf weitere Modelle hin, die sich vom typischen eckigen Design abhöben. "Ein Plattenspieler ist schliesslich auch ein Möbelstück", bemerkte der Verkäufer und zählte ein halbes Dutzend Farben auf, in denen die Geräte erhältlich seien. Die meisten davon hätten sie an Lager verfügbar. Er schnappte sich einen Prospekt von Pro-Ject und notierte darin die Verkaufspreise für die einzelnen Modelle. Zum Prospekt gab er Astrid eine Visitenkarte mit und bot ihr auch eine telefonische Beratung an.

Fazit

Astrid bedankte sich für die ausführliche, fast viertelstündige Beratung und verabschiedete sich. Sie beendete die Mystery-Shopping-Tour mit ausgezeichnetem Abschluss. Von diesem Fachhändler hätte sie sich wohl noch viel länger beraten lassen, so enthusiastisch und informativ empfand sie das Verkaufsgespräch. Ein Volltreffer. Sie hätte sich nur noch eine Tonprobe gewünscht, das hatte ihr aber keiner der besuchten Händler angeboten. Bei den Discountern war ihr ausserdem die Auswahl viel zu klein gewesen. Warum sich beim ersten Fachhändler kein Verkäufer zeigen wollte, darüber wundert sie sich noch heute. 

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