Neuartiger Ü-Wagen

Wie Panasonic den 4k-Markt erobern will

Uhr | Aktualisiert
von George Sarpong

Stand der Stürmer im Abseits? Die Zeitlupe in 4k deckt es auf - ultrahoch aufgelöst. Wie das Bild in den Fernseher gelangt, hat Panasonic in Basel gezeigt.

In Schweizer Fussballstadien wird auf dem Rasen um die Meisterschaft gespielt. Abseits des Rasens spielt Panasonic um den Spitzenplatz im professionellen 4k-Markt.

Eine Handvoll Hersteller versucht seit einiger Zeit, die Gunst der Professionals für sich zu gewinnen. Zu ihnen zählen ausser Panasonic die Unternehmen Grassvalley, Fuji und Hitachi. Auch Sony zählt zu dem Kreis. Das Unternehmen nutzte die vergangene Fussball-WM als Bühne. Der Hersteller filmte die Spiele ultrahoch auflösend mit den hauseigenen Kameras und bewarb seine 4k-Fernseher mit den Highlights der Fussball-Weltmeisterschaft in Brasilien.

Krux mit Lux

Während seither in immer mehr Schweizer Haushalten UHD-TV-Geräte stehen, mangelt es an Inhalten. Seit dieser Saison können Teleclub-Kunden ausgesuchte Spiele in 4k geniessen. Wie das funktioniert, erklärte Reto Osterwalder, Managing Director Schweiz von der Produktionsfirma NEP. Das Unternehmen filmt, schneidet und erstellt Grafiken von Fussballspielen in 4k-Auflösung für Teleclub.

Die Spiele filmt NEP mit 9 UHD-Kameras des Typs AK-UC3000 von Panasonic, wie Osterwalder erklärte. NEP ist langjähriger Kunde von Panasonic. Man kannte also bereits die Technik des japanischen Herstellers. Ausserdem biete Panasonic in seinen 4k-Kameras Vorteile bei der Aufnahme in Stadien. Spielfelder müssten in Schweizer Fussballstadien mit einer Helligkeit von mindestens 700 Lux ausgeleuchtet werden. Internationale Arenen fluten Spielfelder oft mit 1500 Lux. Das kommt den Kameras entgegen. Je mehr Licht, desto rauschärmer das Videobild und umgekehrt.

Panasonics Patent

Die Sensibilität des verbauten Kamerasensors in der AK-UC3000 beginnt bei ISO 800. Je höher der Kameramann den ISO-Wert schraubt, desto stärker wird das aufgenommene Signal durch die Elektronik der Kamera verstärkt. Das Bild beginnt zu rauschen. Der Zuschauer erkennt dies an farbigen Bildpunkten auf der Aufnahme. Bei ISO 5000 hört das Bild auf zu rauschen, Aufnahmen erscheinen so klar, als sei die Signalverstärkung abgestellt. Hierfür griffen Panasonics Ingenieure tief in die Trickkiste. Das auf den Sensor auftreffende Signal wird im Anschluss elektronisch aufbereitet, das Bildrauschen herausgerechnet. Das Verfahren liess sich Panasonic patentieren.

Die Aufnahmen der neun 4k-Kameras und weiterer HD-Kameras fliessen im Übertragungswagen von NEP zusammen. Diesen liess sich NEP speziell für 4k-Übertragungen anfertigen. Rund ein halbes Jahr dauerte der Innenausbau des LKWs. Innen findet ein Dutzend Leute Platz. Die Besucher des Panasonic-Events konnten den Wagen während des Matches Basel-Lugano in Augenschein nehmen.

Einblick in den Ü-Wagen

Betritt man den Ü-Wagen von der Rückseite, fällt zunächst ein grosses Fernsehgerät auf. Es zeigt das Fernsehbild, wie es der Zuschauer zu Hause sieht. Links des Fernsehers haben drei Leute Platz, sofern sie eng zusammenrücken. An den drei Arbeitsplätzen wird unter anderem der Weissabgleich der Kameras ferngesteuert. Der Kameramann vor Ort muss "nur" dafür sorgen, dass der Bildausschnitt stimmt und das Bild auch scharf ist.

Hinter den drei Technikern summen und brummen die Server, Speicher und sonstigen Geräte, die es für die Übertragung braucht. Rechts des Testfernsehers sitzt eine Technikerin, die sich um die Grafiken für die Spielanalyse kümmert. Sie zeichnet mit Strichen Spielzüge nach, markiert Abseitspositionen und bereitet weitere Grafiken auf, welche die TV-Komentatoren benötigen.

Fanchoreo - Regisseurchoreo

Hinter der Grafik-Abteilung schliesst sich die Regie an. In der Mitte sitzt der Regisseur und liest von seinem Laptop die einzelnen Schritte der Übertragung ab. Diese folgt massgeblich einer zuvor geplanten Choreographie. Der Regisseur diktiert etwa, wann die Schalte ins Studio erfolgt oder welche Nahaufnahme eines Spielers benötigt wird. Seine Kollegen links und rechts unterstützen ihn dabei.

Unmittelbar dahinter bereiten zwei weitere Techniker Zeitlupenaufnahmen vor. Sie sorgen dafür, dass der Zuschauer im Wohnzimmer oder in der Beiz mit den Kollegen ein geschossenes Tor nochmals in aller Ruhe geniessen kann.

Konzentrierte Ruhe

Vom Tonmeister ist im Ü-Wagen nichts zu sehen, zumindest auf den ersten Blick. Das hat seinen guten Grund. Der Tonmeister sitzt zwischen dem Aufnahmebereich und dem Führerhaus des LKWs in einer abgeschlossenen Kabine. Nur so kann er sich in Ruhe auf den Ton konzentrieren und etwa die Fangesänge der Lugano-Fans oder die Rufe aus der Muttenzerkurve, dem Stammplatz der eingefleischten Basler Anhänger, zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Lautstärke übertragen.

Im Ü-Wagen herrscht eine konzentrierte Ruhe. Gespräche sind nur leise zu vernehmen. Das Team nutzt Headsets, um sich zu unterhalten. Etwa wenn der Regisseur den Kameramann auffordern muss, das Bild nachzuschärfen.

Probleme mit 4k

136 Spiele produziert NEP für die Swisscom-Tochter Teleclub pro Saison. Vier davon in 4k. Das hat mehrere Gründe. Etwa die Signalübertragung: Eine 4k-Kamera löst viermal höher auf als eine HD-Kamera, erzeugt aber die achtfache Datenmenge. Mit bisherigen Leitungen war das kaum zu schaffen, deshalb schliesst NEP gleich vier Leitungen zusammen, um die Daten nach Volketswil ins Produktionsstudio von NEP zu senden. Zusätzlich wird das Bildmaterial im Ü-Wagen auf SSDs gespeichert. Eine SSD fasst 2 Terabyte und kostet etwa 1500 Franken. Pro Spiel fallen durchschnittlich 2,5 Stunden Filmmaterial an, was rund 1,5 Terabyte an Speicherplatz erfordert.

Ein weiteres Problem ist die Grafik-Software. Diese ist noch für HD-Aufnahmen ausgelegt. Es gibt aber noch keine UHD-Variante am Markt, erklärte Osterwalder. Auch an und vor der Kamera gab es manche Herausforderung zu bewältigen. Laut Panasonic bilden 4k-Kameras 20-mal schärfer ab, als SD-Kameras. Nicht allen TV-Moderatoren gefällt es, wenn der Zuschauer vor dem Fernseher kleinste Fältchen im Gesicht des Reporters erkennen kann. Für Kameraleute kommt hinzu, dass sie noch genauer auf die Schärfe ihrer Einstellungen achten müssen.

Weitere 4k-Inhalte folgen

Dass noch nicht viele TV-Stationen auf 4k umgestiegen sind, liegt ausser den technischen Herausforderungen auch am erst erfolgten Umstieg auf HD/Full-HD. Dieser kostete Fernsehstationen viel Geld. Sie mussten ihre gesamte Produktionskette an das hochauflösende TV-Format anpassen. Ein Upgrade auf 4k dürfte erneut teuer werden. Eine Kamera kann rasch um die 50'000 Franken kosten. Hinzu kommen Investitionen in Schnittplätze, Server, Leitungen, etc.

Um den Markt anzukurbeln, sind daher Pilotprojekte wie jenes von NEP Gold wert - für Hersteller von Profi-Equipment wie TV-Produzenten gleichermassen. Kunde Teleclub sei bereits an NEP mit dem Wunsch herangetreten, weitere Inhalte in 4k zu produzieren, sagte NEPs Länderchef Osterwalder.

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