Interview mit Antonio Giammarinaro

"Gibson Innovations wird seine Tore schliessen"

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Der Gitarrenbauer Gibson und sein Tochterunternehmen Gibson Innovations haben Insolvenz angemeldet. Für die frühere Audiosparte von Philips ist es das Ende. Antonio Giammarinaro, Managing Director Gibson Innovations Switzerland, spricht im Interview über die Folgen.

Antonio Giammarinaro. (Source: Netzmedien)
Antonio Giammarinaro. (Source: Netzmedien)

Gibson Brands und Gibson Innovations haben am 30. April Insolvenz angemeldet. Wie geht es mit dem traditionsreichen Gitarrenhersteller weiter?

Antonio Giammarinaro: Was Gibson Brands betrifft, bin ich zuversichtlich. Dank Chapter 11 und der Konzentration auf ihren Kernbereich, das Gitarrengeschäft, sollte die Krise in absehbarer Zeit überstanden sein. Leider geniesst die in Hongkong ansässige Tochterfirma Gibson Innovations diesen Gläubigerschutz nicht. Was uns zur aktuellen Ausgangslage bringt.

Was bedeutet das für Gibson Innovations?

Leider wird es für Gibson Innovations keine Refinanzierung analog zu unserem Mutterhaus geben. Gibson Innovations Schweiz hat nach den Niederlassungen in Holland und Deutschland die Insolvenz eingereicht. In absehbarer Zeit wird das Konkursverfahren eröffnet. Ich bin dankbar, dass unser Headquarter die nötigen Rahmenbedingungen geschaffen hat und wir in den Ländern nicht komplett auf uns allein gestellt sind. Jeder Länderniederlassung steht eine Anwaltskanzlei zur Verfügung, welche die kommenden Schritte rechtlich begleitet.

Welche Folgen hat der Konkurs von Gibson Innovations in der Schweiz?

Um diese Frage zu beantworten, muss man bedenken, dass unser Warenfluss international gesteuert ist. Die Insolvenzerklärung unseres Headquarters in Hongkong hat dazu geführt, dass unser Logistikdienstleister in Europa seine Dienstleistungen per sofort eingestellt hat. Seit Ende April findet ab unserem Zentrallager keine Warenlieferung mehr statt. Eine unglückliche und schädigende Situation, der wir lokal leider machtlos gegenüberstehen. Ferner wirken sich ausstehende Zahlungen auf die Infrastruktur aus. Seit über einer Woche haben wir keinen Zugang zu unserem Betriebssystem SAP. An einer Lösung wird mit Hochdruck gearbeitet, zumal wir immer noch fest daran glauben, alle offenen Bestellungen in Kürze ausliefern zu können.

Wie geht es mit Gibson Innovations Switzerland weiter?

In den kommenden Tagen wird unsere Anwaltskanzlei die Insolvenz, mit Begehren auf Eröffnung des Konkursverfahrens, beim Bezirksgericht Dietlikon anmelden. Solange der Konkurs nicht rechtskräftig ist, kommen wir unseren Leistungen wie Bonuszahlungen und Werbebeiträge in Gutscheinform nach. Darüber hinaus wurden sämtliche Kunden informiert – die meisten von mir persönlich. Wir versuchen, so offen und fair wie möglich zu sein und den partnerschaftlichen Grundgedanken auch in dieser schwierigen Situation aufrechtzuerhalten.

Was erwarten Sie vom Konkursverfahren?

Wir versuchen, das Bestmögliche aus dem Konkursverfahren zu machen. Vorab liess ich unsere Konten in der Schweiz für Zugriffe von Dritten sperren. So kann bestmöglich gewährleistet werden, dass Mitarbeiter und Kreditoren mit den verfügbaren und in der Schweiz erwirtschafteten Mitteln bezahlt werden. Nach Eintritt des Konkursverwalters ist damit zu rechnen, dass mein Team und ich entlassen werden. Wir sind bereits jetzt daran, unsere Kontakte anzugehen und entsprechende Chancen wahrzunehmen. Mein ganzes Team und ich sind auf Stellensuche. Ich wünsche mir, dass Unternehmen, die kompetente und erfahrene Personen suchen, an uns denken. Die nächsten Schritte für das Unternehmen sind die rechtlichen Aspekte. Das Handling von Garantieansprüchen ist noch Gegenstand von laufenden Verhandlungen.

Wird Gibson Innovations aufgelöst?

Ja, Gibson Innovations wird weltweit seine Tore schliessen. Ohne Waren- und Geldfluss sind wir lahmgelegt. Über Chancen bezüglich einer Übernahme durch einen neuen Investor kann ich zum aktuellen Zeitpunkt nichts sagen. Ich kann mir aber sehr gut vorstellen, dass Philips eine eigene Lösung findet. In den Produkten steckt eine Markenbotschaft, die ein weltweites Bewusstsein für Philips schafft. Hätte Philips kein Interesse daran, wäre die Sparte bereits früher abgestossen worden.

Warum kam es zur Insolvenz?

Auch hier muss ich kurz ausholen. Gibson Innovations ist ein weltweit tätiges Unternehmen. Mit Vertriebswegen auf fast jedem Kontinent ist eine gewisse Kostenstruktur gegeben. Dass sich Trends von Land zu Land und von Kontinent zu Kontinent unterscheiden, macht die Sache nicht einfacher. Gibson Innovations Switzerland war und ist, wie viele andere Niederlassungen in Europa, eine profitable Verkaufsorganisation. Leider geht die geografische Grösse Hand in Hand mit der Absatzquantität. Sprich, wenn Indien und die USA es nicht schaffen, DECT-Telefone zu verkaufen, wird die globale Sicht unseres Produktmanagements in Hongkong dazu führen, dass die Berechtigung von DECT-Telefonen weltweit infrage gestellt wird. Für uns als Nummer zwei im Schweizer Markt war diese Entscheidung frappierend. Hätten wir diese Kategorie noch, hätten wir auf Vorjahresniveau abgeschlossen. Das ist in einem rückläufigen Markt erstaunlich. Wir haben uns im vergangenen Jahr aus selbigem Grund aus dem Optical-Video-Markt verabschiedet und unser Home-Entertainment-Sortiment auf ein halbes Dutzend Artikel zusammengeschrumpft. Die weltweite Strategie des Unternehmens, mit einem geschrumpften Sortiment profitabler zu wirtschaften, ist in diesem Moment nicht aufgegangen. Zudem hat die bereits angeschlagene finanzielle Situation des Mutterhauses sicherlich zur aktuellen Ausgangslage beigetragen. Es wäre falsch zu denken, dass die Marke Philips oder die Produkte ausschliesslich den Untergang von Gibson Innovations zu verantworten haben. Wir waren nach der Ausgliederung als Woox Innovations ein gewinnbringendes Unternehmen. Mit fehlenden Innovationen und immer reduzierteren Sortimenten ist eine Berechtigung am Markt fraglich.

Wie ist Ihre persönliche Meinung zur Schliessung von Gibson Innovations?

Ich hätte gerne auf diese Erfahrung verzichtet. Ich durfte dieses fantastische Team fünfeinhalb Jahre lang erfolgreich führen und fordern. Viele unvergessliche, positive Momente werden in Erinnerung bleiben. Ein Team-Spirit dieses Kalibers sucht seinesgleichen. Mein Team und ich machen nun das Beste aus der, leider finalen, Situation.

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