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Ein Tag gegen miserable Klangqualität

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Die Metal-Band Avenged Sevenfold hat den Dynamic Range Award 2017 gewonnen. Für viele eine Überraschung. Doch Musik muss nicht laut sein, um erfolgreich zu sein.

(Source: syntika / iStock.com)
(Source: syntika / iStock.com)

Am 31. März war Record Store Day. An diesem Tag wurden die Vinyl-Schallplatte und ihre besondere Klangaura gefeiert, aber auch die Sammlung mit echten oder vermeintlich guten Aufnahmen ergänzt. Der bis dahin kaum bekannte Dynamic Range Day kämpft gegen das Kernproblem moderner Pop-Musikproduktion: massive Dynamikkompression – Synonym für schlechte Klangqualität. Die Laut-Leise-Unterschiede in der Musik werden bis zur Unkenntlichkeit reduziert. Klangliche Feinzeichnung und Klangtimbre gehen so den Bach runter. An dem vom Mastering-Ingenieur Ian Shepherd lancierten Dynamic Range Day werden gute Aufnahmen mit dem Dynamic Range Award ausgezeichnet. Die prämierten Alben zeichnen sich durch möglichst unverfälschten Dynamikumfang aus und bieten so ein weniger aggressives, entspannteres, authentischeres Klangvergnügen.

Dynamic Range Award

Der Dynamic Range Award prämiert seit 2010 gut klingende, dynamische Aufnahmen, die beweisen, dass auch Musik erfolgreich ist, die nicht durch exzessives Mastering verunstaltet wurde. Um für den Award nominiert zu werden muss ein Album folgende Kriterien erfüllen:

  • Die integrierte (mittlere) Lautstärke darf den Wert von -11 LUFS nicht überschreiten (darf nicht im Bereich von -10 bis 0 LUFS sein), gemessen mit dem R128 Meter oder einem vergleichbaren, referenzierten Messmittel. Dieser Messwert beschreibt die Lautstärke des Musikstücks, bezogen auf Vollaussteuerung und über das ganze Musikstück gemessen.

  • Das komplette Album darf DR8 nicht unterschreiten, gemessen mit dem TT-Meter oder einem vergleichbaren, referenzierten Messmittel. Dieser Messwert beschreibt den Dynamikumfang des Musikstücks.

  • Beim Dynamic Range Day geht es um reale Musik, nicht um Zahlen. Zu verlangen, dass eine Aufnahme einen gros­sen Dynamikumfang von mindestens DR16 und mehr haben muss, ist weltfremd. Zudem variiert der Bereich von gut und schlecht je nach Musikgenre. Der Anspruch ist, gute Mainstream-Releases ins Rampenlicht zu stellen, die einen überzeugenden Dynamikumfang haben. Ein Album mit DR 10 kann besser klingen als eines, das nur die Mindestanforderung von DR8 erfüllt. Aber es ist möglich, dass auch das Album mit DR8, abhängig vom Musikgenre, klanglich begeistern kann. In die Bewertung fliesst somit auch dieser Aspekt ein.

Auch mit Heavy Metal geht’s

Für die Mehrheit dürfte es eine Überraschung sein, dass ausgerechnet das Album der US-Metal-Band Avenged Sevenfold den Dynamic Range Award 2017 gewinnt. Gilt doch das Heavy-Metal-Genre als Inbegriff von lautem und dichtem Klang. Dies nicht ohne Grund, führt doch das Metallica-Album «Death Magnetic» mit einem Wert von DR3 den Negativrekord in puncto Dynamikkompression an.

Ist der Mastering-Ingenieur nun der ausführende ­Bösewicht, der mit seinen Gerätschaften und Software-Tools den Klang und die Dynamik des Album bestimmt? Hat nur der Produzent das Sagen, oder wie stark können die Musiker das Endresultat, den endgültigen Klang­charakter eines Albums bestimmen? Hier öffnet sich ein eigenständiges Thema über die Marketing-Floskel: «So wie es der Künstler im Studio gehört hat.» Doch zurück zum prämierten Album.

Wenn das nächste Mal jemand behauptet, dass Musik lauter sein muss, um erfolgreich zu sein, weisen Sie ihn auf den Dynamic Range Day und diesen Blog-Artikel hin. Dynamikkompression hat fatale Folgen für die Klangqualität und ist schlichtweg unsinnig, denn: Untersuchungen zeigen, es gibt keinen Zusammenhang zwischen «Lautheit» und «Verkaufserfolg». Die Hörer nehmen «lauter» nicht als positiven Eindruck wahr, sie drehen die Musik einfach leiser. Dynamische Musik klingt auch am Radio besser. Moderne Wiedergabemethoden – Lautstärkenormalisa­tion – tricksen den Lautstärkekrieg aus. Lautes Mastern wird irrelevant.

Wenn heute heftig über Audioformate wie FLAC, WAV, DSD oder MQA, HD-Samplingraten, aber auch «analog» kontra «digital» diskutiert oder gar gestritten wird, dann gerät leicht ausser Acht, dass in der kommerziellen Popmusik schon im Mastering-Prozess enorm viel Qualität den Bach runtergeht, womit am Ende das Speicherformat zur Nebensache wird.

Der Dynamic Range Day soll Toningenieuren, Produzenten, aber auch Musikern das Bewusstsein für dynamikreiche, feingliedrige und natürliche Musik zurückbringen. Und nicht zuletzt auch den Hörern und Musikliebhabern, die nicht selten viel Geld für Top-Wiedergabeketten ausgeben, um dann am Ende darauf «kaputte» Aufnahmen zu hören.

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