One-to-One

"Wir sind Vivanco 3.0"

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Jérôme Jutzeler hat mit Vivanco den Turnaround geschafft. Im Interview erklärt der Geschäftsführer, wie er den massiven Stellenabbau persönlich erlebte. Ausserdem sagt Jutzeler, warum es Vivanco Suisse heute wieder gut geht.

Sie sind seit rund drei Jahren Geschäftsführer und seit -vergangenem März auch im Verwaltungsrat von Vivanco -Suisse. Wie wollen Sie Vivanco positionieren?

Jérôme Jutzeler: Ich will ein schlankes, dynamisches und nachhaltiges Unternehmen führen. Es soll sich über die Qualität der Produkte und den dazugehörigen Service von den Marktbegleitern abheben. Vivanco muss der optimale Dienstleistungspartner für den Schweizer Handel sein, weil wir nachhaltig, effizient, dynamisch und marktgerecht arbeiten und das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bieten. Wir haben diese Strategie im Verwaltungsrat entwickelt und setzen sie bereits erfolgreich auf der operativen Ebene um.

Vivanco baute in den vergangenen Jahren stark ab. Von 41 auf 14 Mitarbeiter. Wie empfanden Sie diese Zeit?

Es gibt Momente im Leben, mit denen man konfrontiert wird, ob man darauf vorbereitet ist oder nicht. Wichtig war mir, nie das Ziel aus den Augen zu verlieren und Mitarbeiter zu haben, auf die ich mich verlassen kann. In diesen entscheidenden Jahren bin ich als junger Unternehmer menschlich enorm gewachsen und gereift. Die Kunst lag damals darin, die Händler nichts von der schwierigen Situation spüren zu lassen und sie mit derselben Qualität wie immer zu betreuen.

Warum musste Vivanco Suisse Stellen abbauen?

Wir mussten uns auf dem Markt wiederfinden, neu orientieren und herausfinden, was der Kunde genau will. Da-raufhin wurde uns klar, dass wir die Strukturen des alten Modells ändern mussten. Der grösste Teil der betroffenen Mitarbeiter war in der Logistik angestellt, die wir an den Vivanco-Hauptsitz nach Deutschland auslagerten. Vivanco Suisse kann auf Ressourcen von über 360 Mitarbeitern in ganz Europa zurückgreifen. Dieses Netzwerk der Vivanco-Gruppe, das mit interessanten Persönlichkeiten gespickt ist, unterstützt uns täglich bei der Umsetzung unserer Arbeit. Vivanco Suisse ist seither aber wieder gewachsen. Allein in diesem Jahr konnten wir mit Account Managerin Cornelia Pfister und New Customers Manager Philippe Papaux zwei Profis als neue Mitarbeiter von unseren Marktbegleitern gewinnen.

Hat Vivanco Suisse den Turnaround geschafft?

Auf Konzernstufe haben wir den Turnaround schon lange geschafft. Im Vergleich zu anderen Marktakteuren stehen wir solide mit zufriedenstellendem Ebit und Umsatz da. Auch in der Schweiz sind wir schon weiter als geplant.

Können Sie genaue Zahlen nennen?

Wir sind rund 15 Prozent über unserem Budget, das wir im Verwaltungsrat beschlossen haben.

Wo steht Vivanco Suisse heute?

Das Team hat sich verändert und weiterentwickelt. Wir sind nicht mehr die Vivanco, die in den letzten zehn Jahren auf dem Markt bekannt war. Wir sind ein Vivanco 3.0 mit neuen Mitarbeitern, Strukturen, Prozessen und modernster Technik.

Welche neuen Kunden wollen Sie mit New Customers -Manager Philippe Papaux gewinnen?

Wir verfolgen eine klare Strategie, die ich hier aber natürlich nicht verraten will. Fakt ist, dass wir in der Akquise bereits interessante Leads gewonnen und grosse Projekte in der Pipeline haben. Philippe Papaux konnte in sämtlichen Kanälen neue Kunden dazugewinnen. Er trifft mit seinem Customer Relationship Management und seiner hohen Wertschätzung gegenüber unseren Kunden den Nerv der Zeit.

Wie will Vivanco Suisse Marktanteile gewinnen?

Wir gehen wie bisher Schritt für Schritt vor. Wir bieten dem Kunden viel, entlasten ihn in seiner täglichen Arbeit und arbeiten schnell, effizient und lösungsorientiert.

Können Sie Beispiele nennen?

Wir arbeiten mit einer individuellen Softwarelösung für die Warenbewirtschaftung unserer Kunden. Entwickeln vollwertige Hauslösungen, FOB oder Tagesgeschäft auf einzelne Points of Sales an. Ausserdem arbeiten wir eng mit Oridis zusammen, das unser Team an der Front unterstützt und auch für das Rackjobbing in der Schweiz zuständig ist. Zudem bieten wir unseren Kunden ein vollwertiges Retouren- sowie Rapporting Management an. Das garantiert ein grandioses Supply Chain Management.

Seit der Reorganisation wird Vivanco Suisse aber vom Lager in Ahrensburg bei Hamburg beliefert. Wie wollen Sie Ihren Partnern schnelle Lieferzeiten garantieren?

Mit unserer hauseigenen Softwarelösung. Sie kann punktuell nach Markt, Laufmeter und Artikel auswerten, welches Lieferungsintervall nötig ist. Nicht die schnelle Lieferung ist entscheidend. Quantität und Qualität sind viel wichtiger. Wir haben aber natürlich für den Notfall die wichtigsten Produkte doppelt gelagert in unserem Lager in der Schweiz. Sollte dieses Back-up auch nicht ausreichen, können wir auf Partner wie Ecomedia bauen, die gewisse Logistiken für uns übernehmen würden.

Vivanco will mehr als Dienstleister auftreten. Wie kann man sich das vorstellen?

Wir holen unsere Partner dort ab, wo sie keine Zeit haben. Wir übernehmen das komplette Category Management und erarbeiten ein auf den Kunden zugeschnittenes Sortiment. Für den Erfolg an der Front überwachen wir auch die entscheidenden Kennzahlen, bieten Fieldservice Management, Process Management, Project Management, Key Account Management und ein richtiges Product Management. Das ist ein Komplettpaket, das mit der modernsten Technik und Software geschnürt ist.

Wie unterstützt Vivanco den Fachhandel ausserdem?

Ich lese «CEtoday» jetzt schon seit einigen Jahren und sehe, dass diese Frage regelmässig gestellt wird. Ich staune immer wieder über die Antworten, die meist gleich ausfallen. Viel interessanter wäre doch zu wissen, wie Vivanco einen bestimmten Fachhändler unterstützt. Jeder Fachhändler ist individuell und kann nicht in eine Schublade gesteckt werden. Die Fachhändler kämpfen massiv ums Überleben. Insbesondere im letzten Jahr spürte man es nicht nur, sondern konnte die Auflösung einzelner Geschäfte direkt verfolgen.

Wie unterstützt Vivanco den Fachhandel denn individuell?

Wir von Vivanco unterstützen jeden einzelnen Fachhandelspartner individuell. Der entscheidende Faktor ist die Zeit und der persönliche Bezug, den wir gerne aufbauen. Der eine will ein hohes Besuchsintervall, der andere eine direkte Schnittstelle in seinem System, der nächste wiederum überhaupt keinen Service, sondern nur den Netto-Netto-Preis, einige nur punktuelle Produkte etc. Wir müssen gemeinsam mit dem Händler herausfinden, was für ihn der geeignetste Weg ist, ihn zu unterstützen. Wir helfen vielen Fachhändlern bereits erfolgreich mit wöchentlichen Aktionen und kleinen MOQs. Auch kommen wir bei offenen Fragen zu Montagen stets zur Hilfe.

Vivanco Suisse bietet ab Mitte Dezember einen neuen Onlineshop. Worauf achteten Sie bei der Entwicklung der Website?

Mit dem Onlineshop wollen wir die Zusammenarbeit mit unseren Partnern noch intensiver gestalten. Der Onlineshop war schon immer eine starke Stütze. Aber wir haben ihn nach konstruktiver Kritik vonseiten des Handels nun modernisiert und Prozesse optimiert. Vereinfachte Filterfunktion, Integration der Kundenartikel-Nummer, vereinfachte Preisübersicht und klare Kategorisierung, Transparenter Content sowie Optimierung der Schnelligkeit standen im Zentrum der Neuerung.

Wie sehen Sie die Konkurrenzsituation in der Schweiz mit den anderen Anbietern von Zubehör?

Sehr entspannt. Unsere Marktbegleiter verursachen manch-mal etwas Wirbel, aber wir sind zuversichtlich für die Zukunft. Wir müssen uns keine Laufmeter an der Front erkaufen, sondern konzentrieren uns auf die Margengewinnung unserer Kunden. In der Schweiz sind wir schlank, haben international aber ein effizientes Netzwerk im Rücken. Von dieser kostengünstigen Infrastruktur profitiert der Schweizer Handel.

In der schwierigen Zeit begründeten Sie sinkende Umsatzzahlen mit dem schwachen Markt für Zubehör im Bereich der Braunen Ware. Wie läuft dieses Geschäft heute?

Das Geschäft läuft sehr gut. Wir haben im Vergleich zum Vorjahr bei jedem Kunden ein Wachstum von über 20 Prozent. Den Mehrumsatz verdanken wir dem Service im Supply Chain Management und im Category Management, den wir mit hoher Leidenschaft ausüben. Dazu kommt, dass wir dank unserer schlanken Organisation die bestmögliche Marge für unsere Kunden erwirtschaften können. Damit sind wir wieder ein grosses Gesprächsthema in der Schweiz.

Wächst der Markt für Handyzubehör immer noch wie in den letzten Jahren oder gibt es andere Segmente, die heute Wachstum versprechen?

Auch wenn die Marktzahlen anderes erwarten lassen, können wir im GSM-Zubehör sowie auch im IT/PC- und Audio-/Video-/Antennen-Markt von einem klaren Wachstum sprechen. Nicht nur, weil wir viele Kunden dazugewonnen haben, sondern auch, weil sich unsere Servicequalität an der Front durch moderne Technik massiv verbessert hat.

Was sind die Trends im Weihnachtsgeschäft im Zubehörbereich?

Der Trend geht in Richtung Hype-Themen Drohnen und VR-Brillen. Daneben laufen auch die Klassiker: Acryl-Figuren, Lichterketten, Zeitschaltuhren oder auch Eiskratzer.

Wie lautet Ihr Rat an den Fachhandel?

Ich habe nun in den knapp vier Jahren bei Vivanco viele Kundenfacetten kennengelernt. Deshalb habe ich einen Rat an die Branche und nicht an den Fachhandel: Hersteller und Lieferanten müssen gemeinsam mit dem Handel lernen, nachhaltiger zu denken. Sie müssen auf menschlicher und professioneller Ebene zusammenarbeiten, um das Optimale auf dem Markt zu erwirtschaften. Oft fehlt die Weitsicht, weil nur das schnelle Geld zählt. Unsere Branche wurde durch diese Misswirtschaft und Gier extrem durch den Fleischwolf gedreht. Deshalb weist die Schweiz heute eine enorme Dichte an Händlern und Lieferanten aus, und die lebensnotwendige Marge auf allen Stufen ist, im Vergleich zu unseren Nachbarländern, auf einem gefährlichen Tiefpunkt.« Wir haben bei jedem Kunden ein Wachstum von über 20 Prozent.