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"Nur mit dem CE-Geschäft kann man nicht wirtschaften"

Uhr | Aktualisiert
von Marc Landis

Was vor 50 Jahren mit einem Radiogeschäft in Frauenfeld begann, ist heute der grösste unabhängige Kabelnetzbetreiber in der Region Thurgau. Das CE-Geschäft scheint bei Markus Schlatters Leucom-Gruppe im Jahr 2016 aber nur noch ein Nebenschauplatz zu sein. Warum er dennoch daran festhält und warum UPC keine Konkurrenz für sein Kabelnetz ist, erklärt der CEO im Gespräch.

Markus Schlatter, CEO, Leucom-Gruppe. (Quelle: Netzmedien)
Markus Schlatter, CEO, Leucom-Gruppe. (Quelle: Netzmedien)

Sie betreiben im Raum Thurgau ein eigenes Glasfasernetz, haben heute rund 20'000 Kunden für Digital TV, Internet und Telefonie. Aber eigentlich hat vor 50 Jahren alles einmal mit einem Radio-Fachgeschäft angefangen. Wie sind Sie zum Kabelnetzunternehmer geworden?

Markus Schlatter: Wir haben immer schon das Radio-TVFachgeschäft (heute Expert Schlatter Anm. d. Red.) in der Familie betrieben, bauten aber schon früh zusammen mit Partnern ein Kabelnetz für die Stadt Frauenfeld beziehungsweise Kabelnetze im Thurgau. Heute sind wir der grösste Kabelnetzbetreiber in der Region und in der ganzen Ostschweiz tätig. Und ab Sommer werden wir unsere Aktivitäten auf die gesamte Schweiz ausweiten. In Zürich sind wir auch bereits aktiv. Denn das ist natürlich der grösste und der wichtigste Markt in der Schweiz. Dort geht die Post ab. Wir bieten in unserem gesamten Netz Digital-TV mit einem vollständigen Senderangebot inklusive Pay-TV und Video on Demand, Internet und Telefonie an. Zudem wollen wir ab Winter als MVNO (Mobile Virtual Network Operator, Anm. d. Red.) auch ein Mobiltelefonangebot lancieren und so wie Swisscom, UPC oder Sunrise ein sogenannter Quadruple-Player sein.

Wie kommt es, dass Sie gegen die grossen Telkos bestehen können?

Ich glaube, es gelingt uns so gut, da wir dieses Geschäft schon rund 30 Jahre betreiben und das Geld permanent in unsere Netze reinvestieren. Es dauert lange und ist teuer, so ein Netz von null aufzubauen. Die Eintrittshürde in unser Geschäft ist hoch. Unser ganzes Geld steckt im Boden und im Head-End. Auch ist UPC in unserer Region kein Mitbewerber für uns. Swisscom aber schon. Sie ist überall bereits in den Häusern, da müssen wir mit unserem Angebot besonders kompetitiv sein. Vielleicht sind wir etwas günstiger, bieten einen guten Service und sind hier eben sehr nahe bei unseren Kunden. Zudem bieten wir mit unserem eigenen TV-Kanal auch lokalen Content aus der Region auf unserem Slow-TV-Sender Leu-TV an.

Ich könnte mir vorstellen, dass UPC ein Interesse hätte, Ihr Netz zu kaufen ... 

Ja, wir hatten auch schon einmal ein Angebot auf dem Tisch, und der Preis hätte auch gestimmt. Aber wir haben uns dagegen entschieden. Meine Nachfolgeregelung ist mit unseren Kindern aufgegleist. Momentan sind wir in einer intensiven Investitionsphase. Rund 30 Millionen Franken werden wir bis 2021 in den weiteren Ausbau des Glasfasernetzes investieren. Beim Bau der Glasfaserinfrastruktur arbeiten wir mit Swisscom und auch mit Elektrizitätswerken und Gemeinden der Region zusammen.

Das ist noch eine spezielle Konstellation: Im Infrastrukturbau sind Sie Partner, wenn es danach an die Marktbearbeitung und auf Kundenfang geht, sind Sie erbitterte Konkurrenten ...

Ja, es ist speziell. Meines Wissens sind wir in der Schweiz eines der sehr wenigen Kabelnetzunternehmen, das auf diese Art beim Glasfaserbau mit Swisscom kooperiert.

Und warum ist das so?

Die Denkweisen von Kabelnetzbetreibern und einem Telko wie Swisscom sind manchmal schon sehr unterschiedlich, aber es gibt natürlich auch echte technische Unterschiede in der Netzarchitektur.

Und wie haben Sie sich gefunden?

Man muss sich einfach finden, da es keinen Sinn ergeben würde, wenn verschiedene Unternehmen in derselben Region verschiedene Glasfasernetze bauen würden. So können wir die Kosten teilen und uns danach auf die Marktbearbeitung konzentrieren.

Ich habe auf Ihrer Website gelesen, dass Sie schon vor 20 Jahren die erste Glasfaser verlegt haben. Das klingt nach einer Pionierleistung. Warum haben Sie sich schon so früh für Glasfaser entschieden?

Wir mussten damals das TV-Signal von unserer Kopfstation auf einem Hügel hinunter in die Stadt übertragen. Der Weg war weit. In einem Koaxialnetz muss alle 600 Meter ein Verstärker betrieben werden. Da entschieden wir uns für Glas. Sie sehen also: Glasfaser ist nichts Neues und schon gar nichts Revolutionäres. Die Revolution besteht vor allem darin, dass heute der Meter Glasfaser nur noch 40 Rappen kostet.

Was kostete der Meter Glasfaser damals?

So um die 80 Franken.

Und das zahlte sich dennoch aus?

Ja, wenn Sie die Entwicklung bis heute mit den Datenmengen anschauen, war es damals die richtige Entscheidung, auf Glasfaser zu setzen. Als wir dann 2005 das Kabelnetz komplett von unseren Partnern übernehmen konnten, bauten wir unser Unternehmen kontinuierlich aus, und schon 2008 haben wir dann das erste Mal FTTH (Fibre to he Home, Anm. d. Red.) verlegt, also Glasfaser bis in die Häuser unserer Kunden. Und bis 2020 werden wir unsere Netze zügig weiter aus- und auch umbauen, damit die meisten unserer Kunden von einem Glasfaseranschluss bis in ihre Wohnungen und Häuser profitieren können.

Als Kabelnetzunternehmer müssen Sie eine leistungsfähige IT-Infrastruktur betreiben, um die Servicequalität aufrechtzuerhalten. Wo laufen all diese Systeme?

Wir machen alles selbst. Unsere IT-Abteilung ist hier im Haus und das Rechenzentrum ebenfalls. Wir haben auch eine USV-Anlage mit leistungsfähigen Batterien, die im Fall einer Stromunterbrechung einspringen kann, und zwei Dieselgeneratoren, falls die Unterbrechung länger dauern sollte. Auf dem Hausdach steht ein Teil der Satelliten-Empfangsstation für das TV-Signal. Nur den Telefonswitch für internationale Gespräche haben wir nicht bei uns im Haus.

Wie viele Mitarbeiter hat Ihr Unternehmen heute?

Wir sind 80 Mitarbeitende. Ein Grossteil davon arbeitet für das Kabelnetz, 8 im Radio-TV-Fachgeschäft. In der IT arbeiten bei uns 12 Informatiker und System Engineers. Dann haben wir noch 9 Multimediaelektroniker, die auch in der IT arbeiten, sich aber vor allem um die HF-Schnittstellen kümmern, von denen ein Informatiker nicht viel versteht.

Der Ursprung Ihres Unternehmens ist aber dennoch das Radio- TV-Fachgeschäft. Wie wichtig ist eigentlich das CE-Geschäft in Ihrer Unternehmensgruppe noch?

Es macht etwa 8 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Die Umsätze sind in den letzten Jahren auch zurückgegangen. 

Warum erhalten Sie das CE-Geschäft aufrecht?

Die beiden Geschäftsbereiche, also das Kabelnetz und das CE-Geschäft, ergänzen sich gut. Das Kabelnetz bringt Frequenz in den Laden. Drei Viertel der Kunden kommen wegen Digital-TV, Internet oder der Telefonie zu uns an die Zürcherstrasse in Frauenfeld. Dann sehen sie, dass wir auch noch diesen tollen CE-Showroom mit Cafeteria haben und nicht nur der Absender der monatlichen Abo-Rechnung sind. Wir möchten die Synergien nutzen, die sich da ergeben.

Also ist das CE-Geschäft kein Nebenschauplatz?

Nein, auch wenn es ein schwieriges Business ist. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, im CE-Geschäft weiterzumachen, und ich bin auch überzeugt davon, dass die CE-Branche eine Renaissance erleben wird. Eventuell dauert es bis dahin halt noch zehn Jahre. Aber ich glaube, dass es richtig ist, was wir tun. Wir haben auch neu die Stelle des Verkaufsleiters geschaffen und mit Hanspeter Streit einen erfahrenen CE-Mann für den Job engagiert.

Was funktioniert im CE-Geschäft heutzutage noch gut?

Vor allem Grossbild-TV. Und natürlich auch Multi-Room- Produkte etwa von Sonos. Darüber kann ich mich aber nicht so richtig freuen, weil wir mit der Handelsmarge kaum das Verkaufspersonal bezahlen können. Das CE-Geschäft ist brutal geworden. Und obwohl wir nicht so preissensitive Kunden haben, kann es sich kein Fachhändler mehr leisten, viel teurer als der Onlinehandel oder ein Discounter zu sein. Denn die Kunden kennen die Preise. Wir arbeiten daran, den Dienstleistungsanteil im CE-Geschäft zu erhöhen; auch setzen wir auf Fachhandelsmarken wie Loewe, Panasonic, Grundig und Bang & Olufsen statt auf LG oder Samsung, die in jedem Kanal zu jedem Preis verkauft werden.

Was sollten CE-Fachhändler heute tun, um ihr Geschäft fit für die nächsten fünf Jahre zu machen?

Wir bauen hier bei uns zurzeit die PC-Support-Abteilung aus, bieten den Kunden den Service an, ihre Computer aufzusetzen, Daten zu portieren, E-Mail einzurichten etc. Dafür machen wir hier im Laden ein kleines Repaircenter, um die Kunden zu empfangen. Solche Initiativen können auch für andere Händler funktionieren. Ich glaube nicht daran, dass man mit dem reinen CE-Geschäft alleine langfristig erfolgreich wirtschaften kann. Es braucht eine Spezialisierung in einer Nische, um sich zu differenzieren, oder ein weiteres Standbein in einem zukunftsträchtigen Geschäftsfeld.

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