Volker Dietzel im Interview

Swisscom 2.0 - "Wir arbeiten an Ultra-HD"

Uhr | Aktualisiert
von Fabian Pöschl

Was bringt die Cloud fürs Fernsehen? Hat sich unser TV-Verhalten mit den neuen Möglichkeiten verändert? Swisscoms TV-Experte Volker Dietzel kennt unsere Fernsehgewohnheiten.

Volker Dietzel, Leiter Swisscom TV Development & Technology. (Quelle: Swisscom)
Volker Dietzel, Leiter Swisscom TV Development & Technology. (Quelle: Swisscom)

Sie sind seit 2003 bei Swisscom für die Entwicklung im TV-Bereich zuständig. Was hat sich seither getan?

Volker Dietzel: Da ist einiges passiert. 2006 lancierten wir Bluewin TV und vergangenes Jahr die Cloud-Lösung Swisscom TV 2.0, die wir selbst entwickelt haben.

Was sind die Vorteile der Cloud?

Die cloudbasierte TV-Plattform ist die Basis für ein flexibles Fernsehvergnügen und bringt Kunden einige Vorteile. So steht ihnen das Fernsehprogramm der vergangenen sieben Tage von über 250 Sendern, davon 80 in HD-Qualität, jederzeit auf Abruf zur Verfügung. Ebenfalls praktisch: Wenn ein Kunde vom bisherigen Swisscom TV zum neuen Swisscom TV 2.0 wechseln möchte, gehen die bisher aufgezeichneten Sendungen nicht verloren, auch nicht, wenn eine Box kaputtgeht. Auch sind wir äusserst stolz auf die signifikante Reduzierung des Stromverbrauchs. Auch weil die Box während der Aufnahme nicht eingeschaltet sein muss, konnten wir den Stromverbrauch um rund ein Drittel reduzieren. Ein weiterer Vorteil ist das sogenannte Infinity-Recording. Das heisst, jeder Haushalt kann unabhängig von der verfügbaren Bandbreite unbeschränkt viele Aufnahmen gleichzeitig programmieren. Je nach Abo bis zu einer Speicherkapazität von 1200 Stunden.

Wie verlief die Entwicklung?

Diese cloudbasierte Recording-Funktion gab es in dieser Ausgestaltung bisher nicht, wir konnten also keine Lösung ab Stange kaufen. Um die selbst entwickelte TV-Plattform vor der Lancierung zu verbessern, führten wir einen mehrmonatigen Testlauf mit einigen tausend Mitarbeitern durch. Weil wir die Produktentwicklungsmethodik umgestellt haben, können wir heute dafür sehr agil regelmässig mit neuen Features für unsere Kunden aufwarten.

Was waren die grössten Herausforderungen bei der Entwicklung?

Die Masse an Daten, die wir zur Primetime transportieren müssen. Das Nutzungsverhalten der User hat sich mit der Replay-­Funktion verändert – viele schauen Sendungen heute zeitversetzt. Das führt zu grossen Herausforderungen im Netz. Dafür investierten wir langfristig erheblich ins Schweizer Netz und können darum jetzt schon Terabits zum Kunden liefern. Zudem bauten wir mit der neuen Set-Top-Box erstmals Geräte selbst.

Wie hat sich das TV-Verhalten verändert?

Zeitversetztes Fernsehen wird immer häufiger genutzt. Das lieben die Kunden. Bei unseren eher TV-affinen Swisscom-TV-Plus-Kunden macht Replay-TV mittlerweile etwa ein Drittel des Fernsehkonsums aus. Die meisten sind aber noch lineares Fernsehen gewohnt, weil sich das Kundenverhalten nur langsam verändert. Zudem stellten wir fest, dass Aufnahmen meist nicht mehr angeschaut werden, wenn man das nicht gleich in den ersten Tagen tut.

Wie stark nimmt Mobile-TV zu?

Ebenfalls stetig. Meist nutzen Kunden Re­play-TV, eigene Aufnahmen oder Youtube-­Videos. Die Nutzungsdauer liegt beim Handy im Durchschnitt noch im Minutenbereich. Beim Tablet ist die Nutzung im Schnitt länger, aber einen zweistündigen Film sehen sich Kunden eher auf dem grossen TV-­Bildschirm an.

Das könnte aber auch an der Auflösung liegen. Wann kommt Full-HD aufs Handy?

Das ist sicherlich ein Thema, das wir uns anschauen werden, wir können aber noch nichts Genaueres dazu sagen.

Was spricht dagegen?

Dagegen sprechen sicherlich auch wirtschaftliche Gründe: Die hohen Investitionen ins Netz rechtfertigen das bessere Fernseh­erlebnis auf den mobilen Geräten noch nicht.

Wann bietet Swisscom Ultra-HD? Wettbewerber wie Netflix können das ja bereits.

Man muss wissen, dass Netflix 4k bietet, aber kein Ultra-HD. Dazu gehört neben der höheren Auflösung ja beispielsweise auch die grössere Farbtiefe. Da herrscht ein Durcheinander wie damals bei HD, Full-HD und HD-Ready. Viele 4k-Geräte sind heute noch nicht Ultra-HD-tauglich. Momentan arbeiten wir an der Weiterentwicklung des TV-Angebots, um Ultra-HD-Inhalte auf Swisscom TV 2.0 anbieten zu können. Derzeit sind jedoch noch zu wenige Inhalte und Endgeräte in Ultra-HD-­Qualität verfügbar. Ein Datum kann ich noch nicht nennen.

Wie sehen wir in naher Zukunft fern?

Die Bildschirmdiagonalen werden immer grösser. Heute sind es im Durchschnitt schon über 50 Zoll. In den nächsten drei bis fünf Jahren steigt die durchschnittliche Grösse auf 70 bis 75 Zoll. Die Fernsehgeräte werden ja auch immer billiger. Bei diesen Grössen reicht Ultra-HD aber nicht mehr aus, die nächste Welle wird 8k sein. Damit wird endlich 3-D ohne Brille möglich sein. Dorthin wird sich das Pay-TV bewegen, etwa zu 3-D-­Sportübertragungen. Für 8k wird aber wieder eine neue Box nötig sein. Sie sehen, die Zyklen werden immer kürzer.

Und was ist mit Virtual-Reality-Brillen?

Im Gaming-Bereich sind Virtual-Reality-Brillen auf jeden Fall ein Riesenthema. Da gibt es wirklich fantastische Möglichkeiten. Beim täglichen Fernsehen im Wohnzimmer bin ich jedoch skeptisch. In den nächsten drei Jahren kommen die wohl nicht. Ich glaube nicht, dass man sich im Wohnzimmer so eine Riesenbrille aufsetzt. Fern sieht man eher gemeinsam.

Ist Gaming für Swisscom TV auch ein Thema?

Ja, das ist ein Thema, mit dem wir uns beschäftigen. Viele Kunden wünschen sich das. Unsere neue Box läuft zwar mit Android, ist aber kein Google-Gerät, deshalb ist auch kein Google Play Store enthalten.

Wieso bauen Sie auf Android?

Weil es in diesem offenen Ökosystem viele erfahrene Entwickler gibt, von denen wir profitieren können. Das wäre bei einem eigenen System nicht möglich. Apple kam nicht infrage, weil ihr System geschlossen ist. Wir haben rund 60 Apps im eigenen Store, darunter Youtube, Facebook oder Dropbox. Das Angebot wird laufend ausgebaut.

Wie steht es um die Sicherheit in der Cloud?

Die steht an oberster Stelle. Weil wir keine Internet-, sondern eine Private-TV-Cloud nutzen, sind die Daten innerhalb von Swisscom in geschützten Datacentern mit Servern in der Schweiz gesichert. Wäre die Cloud nicht so sicher, bekämen wir die Holly­wood-Inhalte nicht.

Wann kommt die Sprachsteuerung?

Wir arbeiten daran. Sobald das System ­Walliserdeutsch beherrscht, dann ist es bereit (lacht).

Persönlich:

Volker Dietzel ist seit 2005 Leiter Swisscom TV Development & Technology. Zuvor war er Chief Technology Officer und Mitgründer des Schweizer Softwareunternehmens Totemo und für verschiedene IT-Unternehmen wie IBM tätig.

Das Interview mit Volker Dietzel erschien im Juni in der Sommerausgabe von Digital Life Nr. 1/2015 

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