Porträt

"Wir wollten einen Ort der Begegnung schaffen"

Uhr | Aktualisiert
von David Klier

3D-Drucker und entsprechende Dienstleistungen haben sich innerhalb weniger Jahre von einem Nischendasein zu einem ernstzunehmenden Geschäftszweig entwickelt. Auch in Zürich gibt es inzwischen erste "3D Print Stores". Einer davon ist my3Dworld an der Ankerstrasse 53. Das Besondere: Es ist ein Shop-in-Shop-Konzept. Gemeinsam mit Caspar Steiner, Leiter von Faigle 3D Systems, wollen Stevens Senn und Frank Ehrsam den 3D-Druck einem breiten Publikum zugänglich machen.

Caspar Steiner (l.) und Stevens Senn. (Quelle: Netzmedien)
Caspar Steiner (l.) und Stevens Senn. (Quelle: Netzmedien)

Was verbirgt sich hinter my3Dworld?

Stevens Senn: Angefangen hat eigentlich alles mit unserer Applikation von 3D-Figuren. Das heisst, dass wir Personen einscannen und sie dann vollfarbig über den Projet 660 ausdrucken. Durch eine aufkommende Nachfrage aus den Bereichen Visualisierung, Architektur, Medizin und Kunststoffausdruck respektive Pulverausdruck, drucken wir aber mittlerweile so ziemlich alles, was man aus den 3D-Druckern herausholen kann. Die Grenzen setzt dabei im Grunde nur die eigene Vorstellungskraft. Ausser unseren klassischen Druck-Dienstleistungen vertreiben wir auch Geräte und Druckmaterialien für Privatanwender. Mit dem Laden hier an der Ankerstrasse wollten wir einen Ort der Begegnung im 3D-Druckbereich schaffen. Sowohl für Privatpersonen als auch für Firmen, die sich für 3D-Druck interessieren. Sie können hier an einem Ort die verschiedensten Technologien anschauen und gedruckte Schaustücke anfassen. Wir haben hier vom relativ einfachen FDM-Druck bis hin zum Metallsinter alles da.

Welche Dienstleistungen bieten Sie denn noch, abgesehen vom Drucken?

Ab dem 15. Mai starten wir mit einer neuen Dienstleistung im Seminarbereich. Wir werden Schulungen zu diversen Programmen und zu 3D-Druck allgemein anbieten. In Zusammenarbeit mit Faigle werden wir vor allem für Firmen und interessierte Fachhändler Schnupperkurse ausrichten. Wir werden die verschiedenen Drucktechniken zeigen und so ein Bild davon vermitteln, was momentan möglich ist. Es geht uns darum, zu zeigen welche Technik für welchen Anwendungsbereich Sinn macht.

Bieten Sie Fachhändlern, die in den 3D-Druck einsteigen wollen, Hilfestellungen über diese Schnupperkurse hinaus?

Wir arbeiten zurzeit an einem Franchise-Modell, das Händlern die Möglichkeiten geben soll, ein Ladenkonzept, wie wir es hier haben, für sich umzusetzen. Dabei steht aber mehr die Umsetzung im Zentrum als der exakte Aufbau des Ladens. Das geht über die Frage wie man Applikationen mit Figuren macht, welche Drucker und Programme benötigt werden, wie der ganze Workflow an sich funktioniert, bis hin zum Vertrieb von Druckern und Materialien. Es ist als Komplettpaket von A bis Z gedacht.

Caspar Steiner, Leiter Faigle 3D Systems: Man darf hier einfach nicht vergessen, dass für das ganze 3D-Druckthema nach wie vor stark missioniert werden muss. Viele Leute wissen inzwischen, dass es die Technologie gibt. Was sich aber genau dahinter verbirgt, ist für viele noch sehr undurchsichtig. Und ich meine nicht nur Privatpersonen, sondern auch Firmen. My3Dworld ist bislang einer der einzigen, wenn nicht sogar der einzige mit einer derart breiten Servicepalette. Mit dem Komplettpaket wollen wir Endkunden, wie auch interessierten Händlern und Firmen unsere gesammelten Erfahrungen als Paket anbieten. Grundsätzlich sollten Händler und auch Firmen wissen, was genau sie machen wollen. Hierzu lohnt es sich, einfach mal im my3Dworld-Shop vorbei zu gehen.

Wie sieht es mit Lebensmitteldruckern aus? Neuerdings wird ja offenbar auch Zucker oder Schokolade gedruckt.

Stevens Senn: Im Profi-Corner von Faigle werden wir in Zukunft auch Zucker- und Schoggi-Drucker ausstellen. Da kommt noch einiges auf uns zu und wir werden immer die aktuellsten Geräte hier haben. Das nächste neue Gerät von 3D Systems wird der Projet 1200 sein, den Faigle hier ausstellen und präsentieren wird. Das ist ein Drucker für die Schmuckindustrie. Mit diesem Drucker kann man einen Schmelzwachsausdruck erzeugen, den man dann direkt an die Giesserei weitergeben kann, um ihn in Gold, Silber oder Bronze giessen zu lassen.

Wie kam es überhaupt zu der Zusammenarbeit mit Faigle?

Caspar Steiner: Das war ziemlich einfach. Die Herren von my3Dworld brauchten einen Drucker und haben diesen bei uns gekauft. Beim gegenseitigen Austausch ist dann das Thema mit dem Laden aufgekommen. Später entstand die Unterscheidung zwischen dem Consumer- und dem Profibereich, die so auch im Markt relativ klar ist. Daraus hat sich dann die Idee des Shop-in-Shop-Konzepts ergeben beziehungsweise lag mehr oder weniger auf der Hand.

Arbeiten Sie ausser mit Faigle auch noch mit anderen Partnern zusammen?

Stevens Senn: Speziell für den FDM-Druckbereich arbeiten wir sehr eng mit der Schweizer Firma Deltatower zusammen und  für unsere 3D-Seminare ab dem 15. Mai arbeiten wir mit einigen Externen zusammen. Die Seminare werden von den besten Leuten aus den jeweiligen Bereichen geführt. Wir haben Julia Rodriguez, eine zertifizierte CAD-Ausbildnerin mit eidgenössischem Fachausweis ist. Sie wird CAD-Kurse geben. Für Firmen wird Herr Steiner Informations-Kurse geben, ich selbst werde Kurse zu Scanning und Fotogrammetrie leiten. Das Quartett ergänzt Florian Horsch, Autor der 3D-Druck-Bücher.

Wer sind ihre täglichen Kunden? Gibt es eine bestimmte Zielgruppe?

Vom Mami, das ihr siebenjähriges Töchterchen als Figur haben möchte, über den 70-jährigen Lehrer, der sich eine Influenzmaschine bauen möchte, alle nötige Teile selbst gezeichnet hat und sie bei uns ausdrucken möchte, bis hin zu Architekten, die ihre Architekturmodelle bei uns drucken wollen oder Firmen aus dem medizinischen Umfeld, die anatomische Schaustücke benötigen. Kurz gesagt: querbeet. Es fängt nirgendwo an und hört nirgendwo auf. Täglich kommt wieder neues und spannendes dazu.

Was war das Verrückteste, was Sie bisher drucken mussten?

Ganz speziell war für mich persönlich der "Bratwurst-Auftrag". Unser Kunde Coop wollte eine St. Galler Bratwurst gedruckt bekommen. Also mussten wir zum Coop Bratwürste kaufen. Vor dem Laden stellten wir einen Grill und grillierten die Bratwürste. Für den Druck mussten wir sie direkt nach dem Grillieren einscannen, damit sie keine Runzeln bilden konnten. Den ganzen Nachmittag haben wir dann die restlichen Bratwürste verzehrt. Das war einmalig und ist mir als spezieller Auftrag in Erinnerung geblieben.

Was erhoffen Sie sich noch von der Technologie?

Caspar Steiner: Die technischen Limitationen sind sehr gering. Es gibt aber natürlich ökonomische Limitationen. 3D-Druck ist oft, aber nicht immer lohnenswert. Er bietet sich an für das Erstellen von Prototypen oder das Anfertigen von Einzelteilen. Sobald es um die Massenproduktion geht, kommt man mit 3D-Druck nicht sehr weit. Grundsätzlich sind die Möglichkeiten aber theoretisch unbegrenzt. Der spannendste Teil ist für mich, dass echt brauchbare und echt verbaubare Teile direkt aus dem Drucker kommen. Unter dem Aspekt wird in Zukunft viel, was in tiefer Stückzahl hergestellt wird, mit 3D-Druckern produziert werden. Und das ist eigentlich eine ganze normale und unspektakuläre Weiterentwicklung. All das hat dann aber wieder sehr viel damit zu tun, was in den Köpfen von Privatanwendern und aber auch von Entwicklern und Ingenieuren vorgeht. Sie müssen wissen, was mit der Technologie möglich ist und sie adaptieren. Vorreiter ist im Augenblick vor allem die Automobilindustrie. Maybach zum Beispiel produziert seine Fahrzeuge zu einem grossen Teil mit gedruckten Teilen. Andere Industrien stehen allerdings noch ganz am Anfang.

Wie sieht es mit Produktpiraterie aus? Im Prinzip kann mit der Technologie doch jeder ein beliebiges Produkt einscannen und einfach vervielfachen.

Stevens Senn: Das ist allgemein im 3D-Druck zurzeit die grosse Frage. In vielen Bereichen fehlt noch die gesetzliche Grundlage. Der grosse Spielwarenhersteller Mattel hat sich aus diesem Grund gerade erst mit 3D Systems zusammengetan. Sie suchen Wege, ihre Produkte als Datei zu vertreiben. Die Industrie hat Angst davor, was passiert, wenn sich jeder alles selbst ausdruckt. Das rückt das Copyright in ein ganz neues Licht und wird eine sehr spannende Sache.

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