Händlerportrait

"Der Online-Handel ist mir einfach zu flach, zu leblos"

Uhr | Aktualisiert

Arnold Hahn hat einen ungewöhnlichen Weg eingeschlagen. Um sein Geschäft zu beleben, verabschiedete er sich vom Ladenlokal. Hahn baut jetzt auf individuelle Beratung. Er setzt sich mit seinen Kunden gemeinsam an den Tisch und lotet ihre Wünsche und Vorstellungen aus. Das Konzept funktioniert.

Arnold Hahn, Inhaber der Radio-TV Burkhardt AG (Quelle: Radio-TV Burkhardt)
Arnold Hahn, Inhaber der Radio-TV Burkhardt AG (Quelle: Radio-TV Burkhardt)

Die Radio-TV Burkhardt AG gibt es seit über 70 Jahren. Wer hat das Unternehmen gegründet?

Arnold Hahn: Gegründet hat das Unternehmen Walter Burkhardt. Zu Beginn, das war in den 40er-Jahren – das genaue Gründungsjahr ist mir unbekannt – verkaufte er natürlich noch keine Fernsehgeräte, sondern vorwiegend Röhrenradios. Später kamen dann aber auch die ersten Röhrenfernseher dazu.

Und Sie sind mit Burkhardt verwandt?

Nein. Mein Vater arbeitete damals für ihn und stieg im Unternehmen mit der Zeit auf. Burkhardt verkaufte das Geschäft in den 80er-Jahren an Interdiscount, Interdiscount wiederum dann 1992 an Radio-TV Steiner. Steiner liess den Namen Radio-TV Burkhardt sterben. Mein Vater entschied sich deshalb dazu, das Ladenlokal zu übernehmen und unter dem ursprünglichen Namen weiterzubetreiben. Er überzeugte mich, mit einzu­steigen.

Wie lange funktionierte das?

Zu Beginn lief es sehr gut. Als die ersten 100-Hz-Bildröhren-Geräte auf den Markt kamen, konnten wir sehr gute Margen erzielen. Und auch als die ersten Flachbild-Fernseher erschienen, bescherte uns das gute Umsätze. Sie müssen bedenken, dass ein 21-Zoll-Gerät in den Anfängen rund 8000 Franken kostete. Die Geräte wurden tatsächlich gekauft. Das änderte sich, als die ersten Hersteller aus Fernost damit anfingen, für solche Geräte weniger als 1000 Franken zu verlangen. Es dauerte nicht lange, bis auch Philips, Panasonic, Sony und Co. ihre Preise massiv nach unten schraubten. Das stellte den gesamten Fachhandel vor ein grosses Problem, uns eingeschlossen. Um weiterhin den gleichen Umsatz machen zu können, hätten wir drei bis vier Mal so viele Geräte verkaufen müssen wie bisher. Etwa zu dieser Zeit gab es auch erste Kunden, die zu uns in den Laden kamen, sich ausführlich beraten lies­sen, aber nichts kauften.

Sie haben Bekanntschaft mit den ersten "Showroomern" gemacht. Wie gingen Sie mit dem Phänomen um?

Zunächst hat uns das natürlich verärgert. Aber wir fingen damit an, unser ganzes Auftreten mehr und mehr auf die Beratung auszurichten. In den Gesprächen mit den Kunden im Laden merkten wir dann relativ schnell, ob wir es wieder mit jemandem zu tun hatten, der die Produkte später online bestellt oder ob es sich um einen tatsächlich zahlenden Kunden handelte. 

Ein eigener Onlineshop kam nicht infrage? Parallel zum Ladenlokal?

Nein, das war für mich keine Option. Alle möglichen Leute haben mir immer wieder nahe gelegt, dass ich auch online aktiv werden müsse. Der Onlinehandel ist mir aber einfach zu flach, zu leblos. Für mich würde es keinen Unterschied mehr machen, ob ich Velos, Kleidung oder TV-Geräte verkaufe. Der Onlinehandel verkauft einfach. Echten Kundenkontakt und Kundenbeziehungen gibt es da keine. Nur Zahlen.

Welchen Weg schlugen Sie stattdessen ein?

Vor etwa zwei Jahren habe ich das Unternehmen ganz sachlich betrachtet und analysiert. Am schwersten wogen die Kosten für den Showroom. Ich stellte mir die Frage, ob ich den tatsächlich brauche. Der immer stärkere Fokus auf Beratung war es schliesslich, der mir bei der Suche nach einer Alternative half. Beratung als Geschäftsmodell erschien mir als Ausweg.

Und woher kommen jetzt die Kunden?

Ganz einfach, ich gehe zu den Kunden nach Hause. Ich höre mir an, was sie für Wünsche und Vorstellungen haben, und gemeinsam erarbeiten wir dann die richtige Lösung. Die Produkte bestelle ich über meine Lieferanten von früher. Ich bin noch immer Teil des ElectronicPartner-Netzes und habe gute Kontakte zu den Zulieferern. Ich muss natürlich gestehen, dass ich von meinem ehemaligen Kundenstamm profitiere. Und ich rede da nicht von 3000-4000 Kunden, sondern von weit mehr. Selbst wenn sich nur 40 Prozent an mich wenden, sind das immer noch sehr viele. Neukunden habe ich hingegen eher weniger. Es kommt aber durchaus vor, dass jemand über meine Webseite bei mir landet.

Das Konzept geht also auf?

Ja, ich kann wirklich nicht klagen. Mein Telefon klingelt täglich, es mangelt mir nicht an Arbeit. Der Weg, den ich eingeschlagen habe, hat sich definitiv als der richtige erwiesen. Und da ich mich nicht mehr um den Laden kümmern muss, habe ich noch Zeit gefunden für ein zweites branchenverwandtes ­Standbein.

Und das wäre?

Es geht dabei um Hörlösungen. Ich habe mir Gedanken gemacht, wo sich weitere Marktchancen in verwandten Bereichen anbieten und bin fündig geworden. Ich ging eine Partnerschaft mit dem international tätigen Unternehmen Claratone ein. Claratone stellt digitale Hörhilfen her, bei denen es sich jedoch nicht etwa um Hörgeräte handelt, sondern um Hörverstärker. Sie können an Orten des Alltags gekauft werden, ohne Hörtest und medizinische Anmutung. Die Hörverstärker sind sehr einfach anzuwenden und werden situativ gebraucht – wie eine Lesebrille. Der Vergleich mit der Lesebrille zeigt auch, warum unser Geschäft funktioniert. Für den situativen Gebrauch wünschen sich die Menschen zunächst eine einfache und kostengünstige Lösung. Sie kaufen also eine Lesebrille im Supermarkt. Nach einigen Jahren haben sie das Bedürfnis nach mehr – und gehen dann zum Optiker, um sich eine Korrekturbrille anfertigen zu lassen. Genauso wird es mit den Hörverstärkern sein. Als Geschäftsführer der Schweizer Niederlassung und als erster europäischer Distributor biete ich im Weiteren dem UE-Fachhandel die Chance, in einem neuen Marktbereich Fuss zu fassen und so unter anderem verloren gegangene Margen bei Braunwaren wieder reinzuholen.

Sie sagen sie profitieren von Ihrem alten Kundenstamm. Wie sieht der aus? Wer sind ihre Kunden?

Die meisten meiner Kunden sind 50 Jahre und älter. Nicht unbedingt fernab von heutigen Technologien, aber oft überfordert mit deren Komplexität und dem riesigen Angebot. Einige jüngere Kunden habe ich aber auch.

Und wie stehen Sie zu Ultra-HD? Ist das ein Thema für Sie und Ihre Kunden?

Klar sind die Ultra-HD-Geräte umwerfend. Die Bildqualität ist phänomenal. Aber ich glaube wir sind im Augenblick mit Full-HD gut bedient. Für den Fall, dass ein Kunde herausragende Bildqualität verlangt, ziehe ich Ultra-HD natürlich schon in Erwägung. Aber ich glaube nicht, dass sich das so bald durchsetzen wird. Ich fühle mich da eher ein bisschen an den 3D-Hype erinnert. Der ist auch schnell wieder abgeflacht. Man soll sich aber nicht vor neuen Technologien verschliessen.

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